Zerrbild Kinderfernsehen
RTL und Co arbeiten mit der Gutgläubigkeit unserer Kinder.
Das Verwirrspiel zwischen Echtheit und Inszeniertheit ist den Kindern oft nicht bewusst.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen: In Deutschland konsumieren die Hälfte der Kinder ca. 90 Min täglich Sendungen, die am Nachmittag auf Super RTL, Kika und Nick angeboten werden.
Und zwar ohne Eltern. Unter dem Angebot gibt es genügend problematische Sendungen.
Der Realität wird mit bewährten Mitteln inszeniert. Die Verpackung ist neu. Obwohl es im Abspann heisst: "Alle handelnden Personen sind frei erfunden", so ist dies lediglich eine Alibiaussage. Das Spiel mit der Gutgläubigkeit ist nämlich einfach: Wackelige Kameraführung - verpixelte Gesichter und Autokennzeichen suggerieren, dass es authentische Aufnahmen sind.
Der Kommentar "Wir sind mit der Kamera dabei" festigt das Bild des Dokumentarfilmes. Die Pseudedokumentation müsste den Kindern bewusst gemacht werden. Kinder benötigen eine Minimum an Medienkompetenz, um den Schwindel zu durchschauen. 48% von Hauptschülern gehen in einer Studie davon aus, dass es sich bei Sendung"Familie im Brennpunkt" um eine echte Dokumentation handle.
Bei Kindern, die nicht erkennen, dass es sich um Fiktionen handelt, ist festzustellen, dass die notwendige Distanzierung fehlt.
Die Kinder trösten sich zwar: Es wird in allen Familien gestritten. Sie lernen über die Beobachtung, wie Probleme auch falsch gelöst werden.
Es wird den Kindern nicht bewusst, dass die einfach gestrickten Muster mit lauter Klischeefiguren den Jugendlichen in der Regel Schnell-Lösungen aus dem Hut gezaubert werden.
Oft werde ich gefragt, weshalb solche Scripted-Realitiy-Shows überhaupt so oft produziert werden.
Die Antwort ist einfach: Dies Sendungen werden geschaut! Viele Zuschauer = höhere Werbeeinnahmen. So einfach ist das. Ob die Kinder irregeführt werden, ist den Machern egal. Es geht in erster Linie um Gewinn. Solche Sendungen sind auch ohne grossen Aufwand zu produzieren und sind leicht konsumierbar.
Schaden solche Sendungen unseren Kindern?
Wenn Kinder solche Familienzerwürfnisse sehen und dies für bare Münze nehmen, so könnten sie sich einerseits trösten, weil es den Familien im Fernsehen noch viel schlechter geht.
Anderseits bekommen die Kinder ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Sie merken die Ueberzeichnung nicht. Dass eine Tochter drogensüchtig ist und gewalttätig ist wird als normal erlebt.
Ich bin gegen ein Konsumverbot. Solche Flme können unterhaltsam sein. Aber man müsste den Kindern zeigen, wie diese Filme produziert werden und den Jugendlichen erklären, wie die Fiktionen produziert werden.
Wer mit den Kindern darüber spricht, handelt vernünftig. Dies setzt aber voraus, dass Erwachsene präsenter sein müssten, als es heute der Fall ist. Als Medienpädagoge habe ich gesehen, wie wichtig bei Kindern (auch im Umgang mit Medien) die Konstanz der Bezugsperson ist.