MEDIENRHETORIK
BEI KAMPFDIALEKTIK - DAS GESICHT WAHREN - ABER WIE?
Von Marcus Knill*
Kampfdialektik gibt es nicht nur bei Duellen vor Mikrofon
und Kamera.
Alle Führungskräfte müssten sich deshalb mit unfairer Dialektik eingehend auseinandersetzen. Wir können vom Schlagabtausch Obama - Romney etwas lernen.
Kampfdialektik ist die Kunst, bei einem verbalen Schlagabtausch mit allen Mitteln recht zu bekommen. Die eigene Meinung wird dabei auch mit ethisch bedenklichen Taktiken durchgesetzt. Bei der Kampfdialektik geht es nicht mehr um Dialogik. Konsens ist nicht gefragt. Der Gegner soll dank Kampfdialektik möglichst KO zu geschlagen oder zumindest in eine unterlegene Position zu manöveriert werden. Er wird bewusst unter Druck gesetzt, damit er Fehler macht, destabilisiert wird, die Kontrolle oder die Nerven verliert.
Bei einem verbalen Schlagabtausch, wie wir ihn zwischen Obama und Romney drei Mal erlebt hatten, war übrigens der Anteil von unfairer Dialektik und verstecken als auch offensichtlichen Winkelzügen recht gross.
Folgende Fragen beschäftigen alle, die an einem Meeting oder einem Streitgespräch unverhofft von einem überraschenden Schlagabtausch überrascht werden:
Wie ist möglich, sich in solchen Situation zu schützen?
Gibt es Konterstrategieen, die sich in der Praxis bewährt haben?
In meinen Beratungen habe ich festgestellt, dass den meisten Menschen vor allem folgende schwierige Situationen grosse Bauchschmerzen bereiten:
- Ueberraschungen
- Aggressive Befragungen, aggressiver Ton!
- Vielredner und
- Besserwisser
Ganz heikel wird es, wenn wir mit verdeckten Mitteln angegriffen werden, mit
- Täuschungen oder
- Irreführungen
Folgende Muster sind in vielen Institutionen verbreitet:
- Das Alphatier dominiert und killt die Kommunikation mit Phrasen wie:
"Das taugt in der Praxis nicht"
- Mitarbeiter nerven mit Ihrem
"Ich habe Recht"-Gen.
- Wenn im Team mit Halbwahrheiten argumentiert wird,
oder wenn wir mit fingierten Beispielen getäuscht werden. Bsp:
„Neueste Forschungen haben gezeigt: ...“
- Der Angriff auf die Person ist sehr effiziente Technik für den Kampfdialektiker. Bsp:
"Wenn man berücksichtigt, dass sie keine fundiertes Studium haben, sind
diese fragwürdigen Vorschläge verständlich"
Beim den Duellen zwischen Obama und Romney fanden wir übrigens recht viele Elemente aus der Kampfdialektik.
Behaupten und anschuldigen - eine gängige Taktik der Kampfdialektik
Hier ein Auszug aus dem dritten Duell (Quelle Tagi-online). Ich zitiere:
Die Debatte über die US-Aussenpolitik war voller Behauptungen und gegenseitiger Anschuldigungen. Nicht alle Äusserungen halten der Faktenüberprüfung stand.
Obama: Romney hat als Geschäftsmann in Firmen investiert, die Jobs ins Ausland verlagern.
Urteil von «Politifact»: Streng genommen die halbe Wahrheit. Romneys Investmentgesellschaft Bain Capital kaufte Unternehmen auf, die Arbeitsplätze in den USA abbauen und im Ausland investieren sollten. Als Gründer und Teilhaber von Bain geriet Romney in den Verdacht, das Geschäft einer Finanz-«Heuschrecke» zu betreiben. Allerdings ist umstritten, ob er direkte Verantwortung für das «Outsourcing» trägt. Es gibt keinen Beleg dafür, dass er unmittelbar als Manager für eines jener Unternehmen tätig war.
Romney: Obama schwieg, als 2009 viele Iraner gegen die aus ihrer Sicht gefälschte Präsidentenwahl auf die Strassen gingen.
«Washington Post»: Stimmt so nicht. Obama betonte umgehend, wie wichtig Meinungsfreiheit und das Recht auf friedlichen Widerstand auch im Falle des Iran seien. Er reagierte in den ersten Tagen aber zurückhaltend, um Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nicht zu gefährden. Zudem wollte er sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die USA stünden hinter den Protesten.
Romney: Forderung nach schärferen Sanktionen gegen Teheran. Schiffe mit iranischem Öl sollten keine US-Häfen mehr anlaufen.
«Washington Post»: Eine rätselhafte Aussage. Die USA bekommen seit langem kein iranisches Öl mehr. Der republikanische Präsident Ronald Reagan hatte bereits 1987 entsprechende Sanktionen durchgesetzt.
Obama: Romney hat Russland als grössten geopolitischen Feind der USA bezeichnet.
«Politifact»: Stimmt. Allerdings fügte Romney hinzu, dass ein Iran mit Atomwaffen die grösste Bedrohung für die Welt wäre.
Romney: Obama war als Präsident nicht in Israel.
«Politifact»: Stimmt. Als Präsident hat er kein einziges Mal den Verbündeten besucht. Dafür war er als Senator 2006 und als Präsidentschaftsbewerber 2008 im Land. Auch eine historische Wahrheit: Die Mehrheit der elf letzten US-Präsidenten hat im Amt auf einen Israel-Besuch verzichtet.
Romney: «Unsere Marine ist kleiner als je zuvor seit 1917.»
«Washington Post»: Das ist ein Vergleich von Äpfel und Birnen. Damals waren vor allem Kanonen- und Torpedoboote im Einsatz. Die moderne US-Navy verfügt über atombetriebene U-Boote und Flugzeugträger. Zuletzt standen 285 Schiffe unter dem Kommando der Flotte. Weniger waren es 2007 unter Präsident George W. Bush (278).
Ende Zitat.
Auch bei den ersten beiden Duellen konnten wir nachträglich bei beiden Kontrahenten Halbwahrheiten ausmachen.
Der Gegner kann auch in der Kampfdialektik indirekt
abgewertet oder verletzt werden.
Ein Wutausbruch wird gezielt inszeniert.
Es wird bissig gefragt, das Gegenüber
unterbrochen und das Gespräch bewusst gestört.
Man hält sich nicht an vereinbarte Gesprächsregeln.
Bei dialogischen Auseinandersetzungen, bei der fairen Dialektik hingegen wird ebenfalls hart, aber fair argumentiert, das Gegenüber wird ernst genommen und man will es überzeugen. Bei der Kampfdialektik wird anderseits der Gegner abgewertet und möglichst schachmatt gesetzt.
Gerüchte sind eine effiziente Waffe bei Kampfdialektikern
Ein ganz fiese Masche bei der Kampfdialektik ist die Verbreitung von Gerüchten. Vor der Wahl in Amerika stand im Blick zum Gerücht, Trump besitze Scheidungspapiere, die Michelle Obama vorbereitet habe.
Gerüchte über eine Scheidung der Obamas sind nicht neu: Autor Ed Klein veröffentlichte dieses Jahr ein Buch, in welchem er dasselbe behauptet. Michelle Obama habe die Scheidung vorbereitet, nachdem ihr Mann im Jahr 2000 die Wahl ins Repräsentantenhaus verpasste.
Trump schon einmal grandios gescheitert
Ob Trump tatsächlich über offizielle Scheidungspapiere der Obamas verfügt, darf bezweifelt werden. Schon einmal scheiterte der Romney-Anhänger mit einem falschen Gerücht über Obama grandios.
So behauptete er im letzten Jahr, Obama sei nicht auf Hawaii, sondern in Kenia geboren und habe demnach kein Recht, US-Präsident zu sein. Doch dann veröffentlichte Obama seine US-Geburtsurkunde - und liess Trump alt aussehen.
Aber auch die Demokraten haben einen „Schmutzfink“ in den eigenen Reihen: Skandal-Anwältin Gloria Allred . Die Obama-Anhängerin droht seit Tagen mit einer „October Surprise“.
Sie will die im Familiengericht von Canton (Massachusetts) endlich enthüllen. Es soll dabei um eine beeidigte Zeugenaussage von Mitt Romney in einem Sorgerechts-Streit gehen, berichtet das Internet-Portal „Radar.online“.
Noch vor Allreds offizieller Enthüllung, erklärt das Portal, worum es gehe: Romney habe für seinen sehr guten Freund und Geschäftspartner Tom Stemberg einst nach einer seiner zwei Scheidungen ausgesagt. Er soll die Hand für Stemberg ins Feuer gelegt haben, dass dieser ein guter Vater für seine vier Söhne sei. Doch Stembergs erste Frau Maureen behauptet das Gegenteil, berichtet von Affären und Bettgeschichten.
Was Allread damit Romney wahrscheinlich beweisen will: Romney ist ein Lügner oder zumindest ein Mann, dem man nicht alles glauben kann. (Quelle BILD-online)
In der Politik kommt die Waffe "Gerücht" immer wieder zum Einsatz.
Gerüchte sind deshalb so gefährlich, weil viele annehmen: Wo Rauch ist gibt es auch ein Feuer.
Schmutzige Wäsche, fiese Details – und das auf letzten Metern des Wahlkampfes könnte vielleicht kontraproduktiv sein. Nach der letzten TV-Debatte zwischen Obama und Romney in Florida, hat weder die eine noch die andere Seite Zeit, sich mit den jeweiligen Enthüllungen auseinanderzusetzen.
Auch Beleidigungen werden eingesetzt
Ein Beispiel einer Beleidigung liefert Amtsinhaber Barack Obama nach dem dritten Duell und schreckt vor Schimpfworten nicht zurück. In einem Interview mit der Musikzeitschrift "Rolling Stone" bezeichnet er seinen Herausforderer Mitt Romney als "Bullshitter". "DUMMSCHWAETZER" ist für diesen Ausdruck noch die schmeichelhafteste Übersetzung.
Die drei Duelle Obama/ Romney sind Füllhorn zahlreicher Beispiele angewandter Kampfdialektik. Hier ein Beispiel aggressiven Verhaltens:
"Stimmt nicht!" Kombiniert mit aggressivem Ton und Unterbrechungen
Im Vergleich zum ersten TV-Duell am 3. Oktober zeigte sich Obama beim zweiten Schlagabtasuch in der Universität von Hempstead (US-Staat New York) recht aggressiv. Immer wieder fiel er seinem Herausforderer ins Wort. „Stimmt nicht, Gouverneur Romney”, mahnte Obama beim Thema Energiepolitik. Romney habe die Autoindustrie in den Bankrott treiben wollen, er aber habe sie gerettet, so Obama. Einen 5-Punkte-Plan? Nein, den habe Romney auch nicht, behauptet der Demokrat. „Er hat einen Ein-Punkte-Plan: Die Reichen bezahlen weniger Steuern.“
Falls wir mit Kampfdialektik konfrontiert - was sollen wir tun?
Es gibt Möglichkeiten, bei einem unfairen Angriff das Gesicht zu wahren.
Beispielsweise mit der 4 I Taktik:
Zur IIII Formel
Bei einem harten Schlagabtausch lohnt es sich, die vier I Formel im Kopf zu haben. Dies setzt aber ein längeres Training voraus. Ist in einem Mediensimulator unter fachkundiger Leitung möglich.
I wie IGNORIEREN
(Aehnlich wie beim Isolieren, können Sie persönliche Angriffe einfach ignorieren und den rhetorischen Foul-Spieler ruhig, evt. humorvoll ans Regelwerk des Fair Play erinnern. Lenken Sie auf die Sachebene)
I wie IRONISIEREN
Unfainess können Sie mit einem ironisierenden Konter neutralisieren. Wenn jemand Sie plötzlich laut angreift, fragen Sie ruhig: Warum reden Sie so laut? Gegner: Total Schwachsinn, was Sie da erzählen! Konter: In welchen Punkten haben Sie Bedenken? Nutzen Sie die Rückfragetechnik)
I wie IDENTIFIZIEREN
(Unfaire Methoden gilt es möglichst rasch zu erkennen und zu benennen. Deshalb ist das Wahrnehmen der fragwürdiger Taktiken so wichtig. Setzt aber Präsenz und aktives Zuhören und Kenntnis der Taktiken voraus. Dadurch kann ich meine Souveränität bewahren. Ein Beispiel: Sie haben wirklich keine Ahnung! Identifizierender Konter: Ich würde gerne sachlich mit Ihnen reden!)
I wie ISOLIEREN
(wenn Sie angegriffen werden, lohnt es sich, bewusst vom Kriegsschauplatz zu lösen, zu dissozieren d.h. Distanz zu gewinnen. Es ist möglich, sich in der eigenen Vorstellung ein "virtuelles Schutzschild", einen "persönlichen Airbag" aufzubauen. Ich verweise auf das Buch von Barbara Berckhan "Judo mit Worten" 2006). Krasse Unfairness dürften wir sogar mit einem Gesprächsabbruch kontern. Damit wird der Beleidiger sofort isoliert).
Kommentar:
Das Erkennen und Benennen der angewendeten unfairen Taktik der Kampfdialektik kann die unangenehme Situationen entschärfen. Der sogenannte "Rumpelstilzchen-EFFEKT" wirkt auch bei Kampfdialektikern Wunder. So wie im Märchen die Namensnennung des Zwerges gleichsam eine magische Wirkung hatte, so kann auch dank der Nennung der unfairen Taktik, gleichsam der Bann gebrochen werden.
Fazit:
Nur wer gut zuhören kann, präsent ist, eine gute Wahrnehmung hat und die Techniken der Kampfdialektik kennt, ist fähig, unfaire Techniken zu erkennen, zu benennen und zu stoppen. Das Lenken beim "Botschaftenmanagement unter Druck" muss dies praktisch erwerben (learning by doing). So wie Piloten heikle Situationen nicht mit Bücherlesen erwerben. Beispielsweise konkret im Simulator - hier können wir uns mit den Techniken der Kampfdialektikern - konkret - auseinandersetzen. Lenkungstechniken sind übrigens im Mediensimulator rasch erlernbar.
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* Marcus Knill, Experte für Medienrhetorik (www.knill.com