Das Interview,das Millionen mitverfolgt hatten, hätte einen Meinungsumschwung in der Bevölkerung bewirken sollen. Wulff versuchte darin das Beste zu geben und sein Vorgehen zu verteidigen.
Vor allem gelang es ihm, mit dem Interview, Mitleid zu wecken:
Wulff appellierte geschickt ans Mitgefühl:
" Da fühlt man sich hilflos"
"Trotzdem ist man Mensch und macht Fehler"
"Man wird auch demütiger"
Der Bundespräsident spricht meist in der störenden MAN - form statt von ICH, von sich.
Er betonte ferner, er habe nichts Unrechtes getan und trete nicht zurück.
Er zeigte sich auch einsichtig und räumte ein, es sei ein schwerer Fehler gewesen, dem BILD- Chefredakteur am Telefon gedroht zu haben.
Er versprach Transparenz und sicherte zu, er wolle später alle Details im Internet veröffentlichen.
Dann bestritt Wulff eindeutig, mit seinem Anruf nie versucht zu haben, die Berichterstattung zu unterbinden. Es sei ihm nur darum gegangen, den Artikel über die Umstände der Kreditaufnahme um einen Tag - bis zur Rückkehr von einer Auslandreise zu verschieben.
Der Präsident bat eindringlich, sein Vorgehen menschlich zu verstehen- vor dem Hintergrund der Belastung für seine Familie.
Soweit so gut. Der Auftritt bewirkte tatsächlich, dass die Stimmung zu Gunsten Wulffs kippte. Es schien vorerst: Der Appell an das Mitgefühl habe sich für den Bundespräsidenten gelohnt.
Was nun folgte:
Der gut vorbereiteten Auftritt wurde ein Bumerang. Nicht weil Christian Wulff während des Interviews recht angespannt war (Er sprach aus meiner Sicht zu schnell und verhaspelte sich zu oft).
Wullf stellte sich selbst das Bein. Nach dem Interview kam er erneut zu einem Medienwirbel.
Die Bildredaktion liess in eigener Sache verlauten, Wulffs Behauptung entspreche nicht den Tatsachen. Die Aufzeichnungen auf der Combox beweise, dass er in Drohtelefon den kritischen Beitrag eindeutig verhindern wollte. Von Aufschieben (wie es Wulff im Interview gesagt habe) sei auf dem Band keine Rede gewesen.
Mit der Ruhe war es nun vorbei. Die Medien wollten das Band als Beweis hören, um zu sehen, welche Version zutrifft.
Was nun folgte, ist für jeden Kommunikationsberater unverständlich:
Wulff wehrte sich gegen eine Klärung und sperrte die Publikation der effektiven Aussage.
Das ist zwar rechtlich möglich, weil jeder Mensch die Veröffentlichung einer Telefonaussage - ohne Einwilligung - verhindern kann. Doch weckte dieses Blockieren Vermutungen und Zweifel.
Medienfachleute prognostizierten nach diesem sonderbaren Verhaltens Wulffs, der im Interview noch völlige Transparenz versprochen hatte: Früher oder später würde jemand das Band publizieren. Evt. auf illegalem Weg. Zudem mache sich der Bundepräsident unglaubwürdig, wenn er sich bei diesem Sachverhalt gegen die Transparenz sperre.
Der Krimi nahm nun seinen Lauf. Die Bildredaktion schickte Wulff das Band, in der Hoffnung, ersehe seine Falschaussage ein und äussere sich dazu.
Fazit: Nach dem ersten Erfolg kurz nach dem Interview kam es zu einem Gesinnungswandel. Der selbstverschuldete Medienwirbel führte dazu, dass die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten erneut bröckelte. Für Politiker, Medien und Oeffentlichkeit ist Wulff erneut angeschlagen. Alle fragen sich: Warum verhindert er die Klärung? Es wird vermutet, Wulff habe nicht die Wahrheit gesagt und erhabe im Interview seinen verbalen Ausbruch am Telefon eindeutig beschönigt?
Falls sich erweist, dass Wulff im Interview Tatsachen verdreht hatte, sehe ich schwarz. Die wichtigste Kommunikationsregel in Krisen lautet bekanntlich: Alles was Du sagst, muss WAHR sein!
NEUE VORWUERFE (bild(
NEUE KRITIK AN HAUSFINANZIERUNG
Die „Frankfurter Rundschau” berichtet über angebliche neue Vorwürfe gegen Wulff.
Der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel, wirft Wulff in der Zeitung vor, er habe für den Hauskauf keinen notariellen Vertrag gemacht, im Grundbuch seine Kreditgeber nicht genannt und bislang auch keinen Beleg für Tilgungen auf das Darlehen vorgelegt. Wenzel: „Hier tun sich Abgründe auf, die ich nicht für denkbar gehalten habe.”
Auch die Zahlungsweise bekomme, so die „FR“, „neue Brisanz“: Wulff ließ sich das Darlehen der Unternehmergattin Edith Geerkens über 500 000 Euro mittels eines anonymen Bundesbank-Schecks auszahlen. Wulffs anonymer Scheck trug nach Recherchen der Zeitung die Nummer 83338. Er sei am 18. November 2008 von der Sparkasse Osnabrück ausgestellt worden.
„Das ist absolut unüblich bei einem Hauskauf“, zitiert die Zeitung den Finanzfachmann Max Herbst. Herbst weiter: Anonyme Bundesbank-Schecks dienten dem „Verbergen der Finanzierungsabläufe“. Der Grünen-Politiker Wenzel in der „Frankfurter Rundschau” : „Ich habe noch nie gehört, dass jemand auf diese Weise ein Haus finanziert. Das schreit nach einer Überprüfung.” Es sei „nicht vertretbar, dass ein Ministerpräsident anonyme Schecks annimmt“.
„Schuh“-Demonstration gegen Bundespräsident Wulff vor dem Schloss Bellevue in Berlin.
Foto: Action Press
Mit hochgehaltenen Schuhen haben am Samstag in Berlin vor dem Schloss Bellevue etwa 300 Menschen gegen den Bundespräsidenten demonstriert.
Der Protest war im Internet über Facebook organisiert worden. Auf Plakaten forderten mehrere Teilnehmer auf dem Gehweg das Staatoberhaupt zum Rücktritt auf.
Das Motto der Aktion lautete „Wulff den Schuh zeigen - Shoe for you, Mr. President!”.
In der arabischen Kultur werden mit dieser Geste Menschen verhöhnt, aber auch Ärger und Verachtung werden so zum Ausdruck gebracht.
Wulff steht wegen der Finanzierung seines Privathauses bei Hannover in der Kritik. Er hatte sich als niedersächsischer Ministerpräsident eine halbe Million Euro von der Frau eines befreundeten Unternehmers geliehen. Später löste er das Privatdarlehen durch Kredite bei der BW-Bank ab. Wulff geriet zusätzlich unter Druck, als bekannt wurde, dass er wegen der geplanten Berichterstattung darüber auf die Mobilbox von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann gesprochen hatte. Dafür entschuldigte sich Wulff drei Tage später, lehnt aber die Veröffentlichung des Anruf-Wortlauts ab.
Bundeskanzlerin Merkel hatte sich am Freitag hinter Wulff gestellt. Sie habe „große Wertschätzung” für Wulff als Mensch und als Bundespräsident, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.