Sonntag, 17. April 2011

Die Schattenseiten der Personenfreizügigkeiten werden immer deutlicher



Früher war es ausschliesslich die SVP, die auf den Ansturm auf den Sozialstaat Schweiz hingewiesen hatten. Nun werden auch andere Stimmen laut, die sich Gedanken machen zur heutigen Situation, die sich wohl kaum korrigieren lässt. Im Hinblick auf die Wahlen im Herbst wird diese Thematik der SVP Stimmen bringen, so wie die KKW Katastrophe den Grünen Aufwind gegeben hat.


Ich zitiere Tagi:


Die negativen Folgen der Personenfreizügigkeit füllen mittlerweile Bücher, Kritik kommt längst nicht mehr nur von der SVP. Doch die Schweiz hat wenig Handlungsspielraum.

Die Politik gibt Gegensteuer: Anästhesieärzte aus der Schweiz, Deutschland und Belgien (von links).
Die Politik gibt Gegensteuer: Anästhesieärzte aus der Schweiz, Deutschland und Belgien (von links).

«Hartz-IV-Flüchtlinge»: Rudolf Strahm, ehemaliger SP-Nationalrat. (Bild: Keystone )

«Die Stimmung hat sich gewaltig verändert»: Ständerat Christoffel Brändli (SVP/GR). (Bild: Keystone)


Auch linke Politiker und Meinungsführer prangern die negativen Folgen der bilateralen Verträge an. Unter anderem der ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm, der im «Tages-Anzeiger» von «Hartz-IV-Flüchtlingen» und einer «Zuwanderung ins Sozialhilfesystem» schreibt. Es seien Lösungen für die Probleme der Personenfreizügigkeit gesucht.
Bei der Lösungssuche sind der Schweiz allerdings die Hände gebunden. Abgesehen davon, dass das Abkommen entgegen anderslautenden Forderungen nicht gekündigt werden kann, ohne das bilaterale Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU zu gefährden, sind der Politik auch innenpolitisch enge Grenzen gesetzt. Denn EU-Bürger dürfen gegenüber Schweizer Bürgern nicht diskriminiert werden. Abstriche bei den Sozialleistungen, mit dem Ziel, die Schweiz als Einwanderungsland weniger attraktiv zu machen, würden diesen Grundsatz bald einmal tangieren.


Zahnlose Instrumente


Zwar gäbe es eine Schutzklausel, welche die Schweiz zur Wiedereinführung von Kontingenten berechtigen würde, falls die Zuwanderung von EU-Arbeitskräften in einem Jahr mehr als 10 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegt. Doch auch dieses Instrument scheint zahnlos: Im Mai 2009 hätte die Klausel angewandt werden können, der Bundesrat hat jedoch – wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Überlegungen – darauf verzichtet. Laut Sarah Progin, Professorin für Europarecht und europäisches Migrationsrecht an der Universität Freiburg, bleiben damit nur noch die ohnehin geltenden Übergangsregelungen für die acht 2004 beigetretenen EU-Staaten, für die ab dem 1. Mai die volle Freizügigkeit gilt, sowie für Rumänien und Bulgarien. Diese Regelungen helfen auch nicht weiter: «Die Mehrheit der eingewanderten EU-Bürger kommt aktuell aus Deutschland, nicht aus den Ostländern.»


Eine Gratwanderung wäre ihrer Ansicht nach auch eine abweichende Interpretation des Begriffs «Arbeitnehmereigenschaft», die eine Voraussetzung für den Aufenthalt in der Schweiz ist. «Die Schweiz ist nach Artikel 16 des Freizügigkeitsabkommens verpflichtet, den Begriff des Arbeitnehmers gleich auszulegen, wie es die EU tut», erklärt Progin. Eine Zuwiderhandlung würde den Bestand der Bilateralen Abkommen gefährden. Rudolf Strahm fordert den Bundesrat zu mehr Mut auf und dazu, Unstimmigkeiten mit Brüssel auszuhalten. «Eine strengere juristische Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs müsste möglich sein.»


«Härte» ist gefordert


Weiter fordert Strahm einen Austausch zwischen Migrations-, Arbeits- und Sozialämtern, um Missbrauch zu verhindern, der unter den heutigen Umständen «legal» betrieben werde. «Das eine Amt weiss nicht, was das andere tut, und der Betroffene ist nicht verpflichtet, seinen Lebenslauf offenzulegen.» So kommt es, dass die Sozialhilfe auch dann bezahlt, wenn das Migrationsamt die Aufenthaltserlaubnis bereits entzogen hat. Weitere Probleme seien die Überwanderung der Schweizer Arbeitnehmer durch besser qualifizierte EU-Bürger. Strahm fordert eine «Titel-Äquivalenz»: Ein Abschluss der Höheren Fachschule soll offiziell auf die Bachelor-Stufe gehoben werden mit dem Titel «Professional Bachelor». Ausserdem verlangt Strahm eine gewisse «Härte» vom Bundesrat, etwa bei der Forderung der EU nach einer Unionsbürgerschaft im Rahmen der Bilateralen III. Damit würde ein automatischer, sofortiger Familiennachzug ermöglicht und das Anrecht auf Sozialleistungen würde ausgebaut.
Doch in der Einwanderungsdebatte gibt es nicht nur links und rechts – eine fast gänzlich unkritische Haltung gegenüber der Personenfreizügigkeit nimmt die Wirtschaft ein. So hat sich Arbeitgeberpräsident Thomas Daum im Streitgespräch mit Buchautor Philipp Löpfe in der «SonntagsZeitung» vehement für die Personenfreizügigkeit in der heutigen Form ausgesprochen. Immerhin hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Anfang März zusammen mit dem Bundesamt für Migration die kantonalen Migrations- und Arbeitsämter zu Massnahmen gegen Missbrauch bei den Sozialleistungsbezügen und den Aufenthaltsansprüchen aufgefordert. Ein Papier, das dem Vernehmen nach seit über einem Jahr bereit gelegen hat, jedoch ohne den nötigen politischen Druck nicht versandt wurde.


Der Wind hat gedreht


Dass der Wind gedreht hat, stellt auch Ständerat Christoffel Brändli (SVP/GR) fest. Seine Motion «Die Zuwanderung in geordnete Bahnen lenken» wird heute im Nationalrat traktandiert und voraussichtlich überwiesen. Nach dem Ständerat hat auch die staatspolitische Kommission des Nationalrats zugestimmt. «Die Stimmung hat sich gewaltig geändert», sagt Brändli. Als er den Vorstoss im vergangenen Herbst eingereicht hat, war der Support noch bedeutend kleiner als heute. Dabei bekundet Brändli «Mühe mit dem parteipolitisch und wahlkampftaktisch gefärbten Aktionismus». Wichtig sei, die Folgen der Personenfreizügigkeit genau zu analysieren, wie es die Motion verlangt. «Der Bundesrat beschönigt die negativen Folgen und die Wirtschaft beurteilt sie zu kurzfristig.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Erst denken- dann reden


Doris Leuthard.




Wie recht Doris Leuthard hat, wenn sie nach den vielen überstürzten Reaktionen einiger Parteien zur künftigen Energiepolitik nachträglich  proklamiert: Erst denken  - dann reden. 



Tatsächlich ist es  so, dass in der Politik  oft  zu schnell wichtige Entscheide gefällt werden d.h. bevor alle Fakten geklärt sind. Besonders in Krisensituationen ist das bedachte Vorgehen ein Muss. Wenn es eilt, lohnt sich das antizyklische Verhalten: "Taxifahrer fahren sie langsam, es eilt!"






In Krisensituationen ist beides falsch: Das Schweigen, das Abtauchen - aber auch das hektische, kopflose Handeln. Wir haben beispielsweise jüngst in Zürich gesehen, wie  der Polizeivorsteher in der Krise mit dem Polizeikorps zu lange geschwiegen hat und keine Dialoge geführt hat. Anderseits konnten wir auch nach der KKW Katastrophe in Japan mitverfolgen, wie Politiker überstürzt Forderungen gestellt hatten, bevor alle Abklärungen hinsichtlich Sicherheit auf dem Tisch lagen.



"Erst denken - dann reden" kann aufs  Handeln übertragen werden: "Erst klären, dann handeln".
So wie es Menschen gibt, die einfach mal drauf los reden, bis es denkt, gibt es auch Führungspersönlichkeiten, die vorschnell aktiv  handeln, nur damit etwas getan wird.