Sonntag, 9. November 2008

Loriot wird 85

Für mich ist Loriot ein Meister der Kommunikationskomik und seine Sketchs veralten nicht.

Tagi-online:

Am 12. November wird Loriot 85 Jahre alt.

Aus der Finanzkrise, so meint der begnadete Satiriker, könnte man «einen sehr komischen Film machen».

Ausstellung im Filmmuseum Berlin

1/13 Ein grosser Mann wird 85: Vicco von Bülow alias Loriot.

Loriot

Ausstellung: «Loriot. Die Hommage», Museum für Film und Fernsehen Berlin, bis 29. März 2009. www.filmmuseum-berlin.de Sketch «Die Nudel»:

«Der Astronaut», Loriots erster TV-Sketch

Es gibt Loriot-Sketche, die begleiten einen ein Leben lang. Zum Beispiel jener, bei dem Loriot während des Rendezvous in einem schönen Restaurant dauernd eine Nudel im Gesicht klebt (Video links). Die Situation ist in ihrer ganzen Absurdität so alltäglich, dass man sich kaum zu lachen getraut.

Überhaupt wirkt Loriots Humor bedächtig und ruhig, seine Sketche haben etwa so viel mit der aktuellen, schrillen Comedy zu tun wie die klassische Musik mit Hardrock. Und doch: Seine Filme und Bilder wirken nur im ersten Augenblick verstaubt – hat man sich an das gemächliche Tempo gewöhnt, so ist ihre komische Wirkung ungebrochen.

Kommentar: Für mich basiert Lorios Situationskomik auf einer hervorragenden Beobachtungsfähigkeit und einer einmaliger Wahrnehmungsgabe. "Loriot" hält uns gleichsam einen Spiegel unserer Schwächen vor Augen.

Zu seiner Person:

Vicco von Bülow, wie Loriot mit bürgerlichem Namen heisst, hat Malerei und Kunstgrafik studiert, ab 1950 war er als Cartoonist für verschiedene Zeitschriften tätig. Schon damals waren die Knollennasenmännchen sein Markenzeichen. Zum Fernsehen kam Loriot 1967, er moderierte in der ARD die Sendung Cartoon. Seine grosse Zeit erlebte er in den 1970er-Jahren, aus dieser Zeit stammen viele seiner berühmt gewordenen Sketche. «Der Astronaut», sein allererster TV-Sketch, bezeichnet er noch heute als sein Lieblingsstück.

Peter Wuffli macht den ersten Schritt

Ich finde es gut, dass ein ehemaliger UBS Boss einsieht, dass es nicht in Ordnung ist, wenn Boni bezogen wurde, nachdem man mit riskanten Geschäften viel Geld gemacht hat. Ohne Wufflis vorbidliche Haltung zu schmälern, hat sich nachträglich gezeigt, dass er und seine ganze Familie mit den Kindern von der Gesellschaft geächtet wurden. Was nütze ein Leben mit Millionen, wenn man in der Oeffentlichkeit am Pranger steht? Wuffli behauptet zwar, er habe keine Drohungen erhalten. Was sich jedoch alles in der Familie, im Freundeskreis und im Freundeskreis abgespielt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicherlich hatten Wufflis einen riesigen Perstigeverlust erlitten und die 12 Millionen Franken sind für ihn gleichsam ein Erlösungsschlag. Sie schmerzen ihn ja kaum. Doch wird er damit nicht mehr am Pranger stehen. Im Gegenteil: Er wurde in der Medienlandschaft gelobt, Die ander "Abzocker" können zwar rechtlich nicht gezwungen werden, auch ein paar Millionen zurückzugeben. Doch sind Ospels und Co. nun unter Zugzwang und es wird spannend, zu sehen sein, welchen Dominoeffekt Wufflis Aktion hat.

20 minuten:

Ex-UBS-Chef Wuffli zahlt 12 Millionen zurück

Bisher verhallten alle Appelle aus Volk und Politik ungehört und prallten an verschlossenen Geldbörsen ab: Trotz der von ihnen mitverschuldeten Finanzkrise wollte kein einziger Bank-Manager in die eigene Tasche greifen und die abgezockten Boni zurückzahlen. Jetzt macht Ex-UBS-Chef Peter Wuffli den ersten Schritt. Marcel Ospel ziert sich noch.

Die Bemühungen von UBS-Präsident Peter Kurer, die ehemaligen Manager der UBS dazu zu bringen, wenigstens einen Teil der Boni zurückzuzahlen, zeigen erste Erfolge. Laut Informationen der Zeitung «Sonntag» zahlt Peter Wuffli, der vor gut einem Jahr zurückgetretene ehemalige CEO der grössten Schweizer Bank, rund 12 Millionen Franken von seiner Abgangsentschädigung zurück.

Dies bestätigen gutunterrichtete Quellen im Umfeld von Wuffli und in der UBS. Wuffli hatte bei seinem Abgang rund 25 Millionen Franken erhalten. Nach Abzug seiner Steuern blieben jene rund 12 Millionen Franken übrig, die er jetzt zurückzahlt. Er verstehe den Schritt als Zeichen der Solidarität mit der kriselnden Bank, sagte Wuffli in einem Interview gegenüber der «NZZ am Sonntag».

Interpretation: Ich könnte mir gut vorstellen, dass Peter Wuffli mit dieser Tat seinem Kontrahenten Ospel nachträglich nicht ungern in eine Zwickmühle bringen wollte! Ospel hat nämlich in seinen Interviews nie verraten, weshalb Wuffli gehen musste. Dies ist vermutlich eine unerfreuliche interne Geschichte.

Ex- Armeechef nimmt die Schuld auf sich und will so Samuel Schmid entlasten

Wir haben die meisten VBS Geschichten mitverfolgt und zum Teil eingehend analysiert. Keckeis machte im Fall Nef unterschiedliche Aussagen, doch bestand er am Schluss darauf, er habe seinen Chef über Roland Nef rechtzeitig informiert. Nun tönt es nicht mehr so. Das macht stutzig. Will der frühere Armeechef seinem früheren Chef gezielt unter die Arme greifen, indem er einfach die Schuld auf sich nimmt?

Blick-online:

Christophe Keckeis (rechts) entlastet ­Samuel Schmid im Fall Nef. (Keystone/Bildmontage Blick.ch)

Während sich Samuel Schmid (61) im Berner Salemspital von seiner Gallenblasenoperation erholt, werden die Weichen für seine politische Zukunft gestellt. Am Freitag diskutierte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) in Bern eine erste Fassung ihres Berichts zur Affäre Nef. Und am Dienstag studiert die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates das Papier zur «Optimierung/Weiterentwicklung der Armee XXI – Stand der Umsetzung».

Beide Berichte geben Verteidigungsminister und Armee neue Hoffnung. Die GPK hat gemäss SonntagsBlick-Recherchen in ihren Untersuchungen einen neuen Schuldigen ausgemacht. Im Bericht, der offiziell erst Ende November präsentiert wird, bricht der frühere Armeechef Christophe Keckeis (63) eine Lanze für Schmid.

Er habe seinen Chef über das Stalking-Verfahren gegen den damals designierten Armeechef Roland Nef ungenügend informiert und es bewusst runtergespielt. Keckeis hatte bereits früher Fehler eingestanden: Er habe vom Strafverfahren gewusst, aber nicht genauer nachgefragt, sagte er in Interviews.

Der Ex-Armeechef war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Kommission fand keine wesentlichen neuen belastenden Fakten gegen Schmid. Es dürfte dabei bleiben, dass Schmid in dem gegen Nef laufenden Verfahren zuwenig nachgefragt habe. Es wird scheinbar nicht ausgeschlossen, dass Schmid anders reagiert hätte, wenn er von seinem damaligen Armeechef umfassender informiert worden wäre.

Fischer kanzelt die Kanzlerin ab:

Sie beherrsche das Krisenmanagement nicht!

Ich zitiere spiegel-online:

Es sind deutliche Worte, mit denen der ehemalige Vize-Kanzler seine Nachfolger abwatscht:

"Ich bin von der Performance der Bundesregierung und namentlich der Bundeskanzlerin in der Krisenbewältigung überhaupt nicht überzeugt", sagte Ex-Außenminister Joschka Fischer im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks.

Ex-Außenminister Fischer: "In einer solchen Krise guckt alles auf die Nummer eins"
AP

Ex-Außenminister Fischer: "In einer solchen Krise guckt alles auf die Nummer eins"

Die Kanzlerin habe die europäische Führungsaufgabe, die alle Europäer von Deutschland erwartet hätten, nicht wahrgenommen, sagte Fischer. "In einer solchen Krise guckt alles auf die Nummer eins. Da bedarf es des festen Blicks nach vorn, einer starken Hand und zumindest des Eindrucks, dass sie weiß, wohin es geht." Ausserdem sei das in dieser Woche vom Kabinett verabschiedete Konjunkturprogramm lediglich auf die übliche Dimension von Wachstumseinbruch zugeschneidert, "aber nicht auf das, was an realwirtschaftlichem Tsunami auf uns zurollt".

Kritik übte der ehemalige grüne Spitzenpolitiker in diesem Zusammenhang auch an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). "Er redet viel und muss dann die Dinge wieder zurücknehmen", sagte der ehemalige Spitzenpolitiker der Grünen. Seinen Parteifreunden bescheinigte er, sie hätten ebenfalls nicht überzeugend agiert.

SPD soll Verhältnis zur Linkspartei klären

Seinen Nachfolger im Auswärtigen Amt, Frank-Walter Steinmeier, nahm Fischer dagegen in Schutz. Der SPD-Kanzlerkandidat sei weder in der Finanzkrise noch beim Desaster der hessischen Genossen vordringlich gefragt gewesen. Bei den Vorgängen in Hessen hätte die SPD- Parteiführung in Berlin wenig machen können. Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti habe es versäumt, den rechten Flügel ihrer Partei bei der geplanten Duldung durch die Linkspartei einzubinden. Damit habe sie den Karren zum zweiten Mal an die Wand gefahren. "Das ist schon fast serielle Täterschaft", rügte Fischer.

Fischer riet der SPD deshalb, ihr Verhältnis zur Linkspartei zu klären. "Die SPD schleppt diese strategische Frage seit der deutschen Einheit mit sich herum. Und das trifft auch die Grünen, denn nach Ansicht von Fischer hat das Scheitern der rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen auch negative Folgen für seine eigene Partei haben: Die Wahlchancen von SPD und Grünen in Hessen wie im Bund hätten sich durch das Debakel verschlechtert, sagte Fischer.

Kommentar: Ich teile die Auffassung Fischers hinsichtlich dem Verhältnis der SPD zum Linkspartei. Das Hin und Her d.h. das Lavieren hat sich in Hessen gerächt. Zum Krisenmanagement der Kanzlerin: Dass sich Angela Merkel meist der Airbagrhetorik bedient, ist gewiss eine taugliche - eher kurzfristige - Ueberlebensstrategie, die Joschka Fischer übrigens während seiner Amtzeit auch gepflegt hatte. Der rasche Entscheid hingegen - hinsichtlich Staatsgarantieen - ist brisanter und hat mit dem Krisenmangement zu tun. Mit dieser Garantie riskierte die Kanzlerin, dass die Banken erneut unbedachte, riskante Geschäfte tätigen können - sie dürfen nämlich künftig damit rechnen, dass Ihnen der Staat - respektive den Kunden - in der Not unter die Arme greift.
Politikerportraits

Es geht ums Image

Ich habe für die neue Ausstellung im Museum für Gestaltung "KOPF AN KOPF" die Portraits von Angela Merkel analysiert. Diese Analysen können Sie an der Ausstellung hören (Band ab Kopfhörer). Ich werde über diese Arbeit später etwas schreiben.

Im NZZ Folio lesen wir über diese Ausstellung KOPF AN KOPF:

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NZZ Folio 11/08 - Thema: Image Inhaltsverzeichnis

Strahlen, winken, Kinder küssen

© ZHdK / Museum für Gestaltung Z...
Visionär, volksverbunden, zupackend, umsorgend, entrückt – welche Pose steht dem Kandidaten am besten? Linktext
Ob links, rechts oder Mitte. Ob USA, China oder Schweiz: Wie sich Politiker auf ­Plakaten präsentieren, folgt weltweit denselben ­erprobten ­Mustern. Von Christian Brändle Im Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft kam es zur Entscheidung. Das Duell zwischen Barack Obama und John McCain ist nicht nur eines zwischen gegensätzlichen politischen Positionen. Auch im visuellen Auftritt könnte der Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten kaum grösser sein: hier der behäbige, traditionsbewusste John McCain, der eher an einen erfolgreichen Autovertreter erinnert als an einen Präsidentschaftskandidaten; da der jugendliche Visionär Barack Obama, der wie der Klassenbeste einer Priesterschule wirkt. Ein Blick auf die Wahlplakate von Politikern aus aller Welt zeigt, dass sich die Kandidaten fester Muster bedienen, um sich ein Image zu geben.

Entscheidend ist, wie sich ein Politiker auf dem Plakat inszeniert, welche Körper- und Kopfhaltung er wählt, das Zusammenspiel von Vorder- und Hintergrund. Die formelhafte Bildsprache des Plakats reicht zurück bis in die Anfänge der politischen Werbung Ende des 19. Jahrhunderts.

Der Mann von nebenan

Ein Klassiker unter den Bildformeln ist die Darstellung des Politikers als Mann von nebenan, als «common man». Der grenzt sich von der vermeintlich abgehobenen Politikerklasse ab, die längst taub ist für die wahren Probleme der Bürger. Der Mann von nebenan wird nah bei der Wählerschaft inszeniert, oft mittendrin wie der engagiert diskutierende Niederländer im Zentrum der Bildauswahl rechts. Vertreter der Bauern zeigen sich gern auf dem Feld, jene der Arbeiterschaft im industriellen Kontext: So werden visuelle Brücken geschaffen, die ein Wiedererkennen der eigenen Situation zum Ziel haben. Auch die Kleidung des Kandidaten ist dem Anlass angepasst informell, und nicht selten wird sogar eher Unvorteilhaftes im Aussehen in Szene gesetzt, so wirkt der Kandidat ungeschminkt und echt. Die Botschaft ist klar: «Ich bin einer von euch, ich kenne eure Sorgen, ich werde mich für euch einsetzen.» Der «common man» steht also nicht primär für ein Programm, sondern preist sich an als Standesvertreter, der als «vox populi» die Wähler direkt vertritt.

Der Familienmensch

Eine Variante des Mannes von nebenan ist der Kinderfreund und Familienmensch. Die Thematisierung der ­Familie im Wahlkampf ist ein Phänomen des 20. Jahrhunderts, und immer wieder werden Kinder zur Kommunikation politischer Programme herangezogen. Sie sind die ­Zukunftsmetapher schlechthin und haben, ähnlich wie die Familie, einen unangefochtenen Stand in der Gesellschaft. Politiker, die sich so positionieren, können davon ausgehen, dass sie breite Bevölkerungsschichten ansprechen.

Neben der Inszenierung von Frau und Kindern ist in jüngerer Zeit auch die ausserfamiliäre Kinderbetreuung ein Thema; damit soll die Fortschrittlichkeit des Kandidaten unterstrichen werden. Carmen Walker Späh zeigt sich umzingelt von Stofftieren, während sie ein Kind in der Tagesschule abgibt. Alternativ setzt diese Strategie die traditionelle Bilderbuchfamilie in den Mittelpunkt: verheiratete Eltern, Kinder, Eigenheim. Die Abbildung der Familie bringt einen privaten Aspekt in den Wahlkampf; als emotionale Strategie drängt sie politische Inhalte eher in den Hintergrund.

Der Macher

Durch die ganze Geschichte der politischen Imagebildung zieht sich das Muster des «economic man», der als Garant für Professionalität und Wohlstand erscheint. Sei es als Planer von Industriekomplexen, als Baumeister ganzer Stadtquartiere oder schlicht als geschäftiger Organisator am Telefon. Der Macher hat eine klare Botschaft: Mit ihm werden die grossen Werke der Zukunft dynamisch in Angriff genommen. Typische Bildmotive waren lange Zeit Schiffe als Symbole des Handels, später auch rauchende Kamine und die Eisenbahn als Sinnbild des industriellen Fortschritts. Beim Macher ist der Hintergrund des Bildes besonders wichtig: Zwar zeigt sich im Beispiel Maos Oberkörper selbst zu einem Kraftwerk aufgeblasen, das Augenmerk gilt aber der mächtigen Industrieanlage und den offensichtlich grossen Plänen des Grossen Vorsitzenden.

Der Volksfreund

Ist ein Politiker ausreichend bekannt, bietet sich das Image des Volksfreunds an. Dieser liebt das Bad in der Menge, beispielsweise mit ausgedehnten Prozessionen zum Rednerpult, die ihm Gelegenheit geben, seinen begeisterten Anhängern theatralisch die Hand zu schütteln. In der autoritären Spielform mutiert der Volksfreund zum huldvoll Zuwinkenden über einer grossen Menschenansammlung. Die Kernaussage stellt hier auf die offensichtliche Beliebtheit des Politikers ab. Eine derart begeisterte Masse wird sich kaum täuschen können. Der Volksfreund erhebt einen uneingeschränkten Führungs- und Machtanspruch.

Diese Bildformel ist die moderne Version alter Königsdarstellungen, in denen der König als Kopf des Staates, als Personifizierung der politischen Einheit porträtiert wird, während das Volk den Körper, die Masse der Regierten bildet. Das gilt für Mussolini und Hitler ebenso wie für den hier abgebildeten Stalin: Dieser geht sogar so weit, seiner Anhängerschar zu applaudieren – er gibt vor, sein Volk zu lieben. In der Schweiz mit ihrer langen republikanischen Tradition ist dieses Muster unpopulär. Lässt sich ein Politiker hierzulande zu überhöht inszenieren, regt sich Widerstand. Das erlebte Christoph Blocher, einer der populärsten Schweizer Politiker der Gegenwart, der von seiner Anhängerschaft wie kein anderer gefeiert, aber vom Parlament als Bundesrat nicht bestätigt wurde.

Der Thronfolger

Die Ahnenstrategie zieht ihre Wirkung aus der Anziehungskraft von Zeugen, die für die Qualität des Kandidaten bürgen: Der Kandidat präsentiert sich als legitimer Nachfolger eines früheren Machthabers, ehemaligen Präsidenten oder Nationalhelden. So zeigt sich etwa Jean-Marie Le Pen mit Jeanne d’Arc im Hintergrund, die im 15. Jahrhundert die verhassten Engländer aus Frankreich vertrieb; Stalin legitimiert sich als politischer Erbe von Marx, Engels und Lenin. Das Heraufbeschwören historischer Grösse ist emotional sehr wirkungsvoll, denn der Ruhm eines Ehemaligen wird auf den jetzigen Kandidaten übertragen. Die Selbstprojektion in eine Ahnenreihe verspricht den Wählern Kontinuität und das Anknüpfen an eine heroische Vergangenheit.

Der Visionär

Seiner höheren Mission eingedenk, wendet der Visionär seinen Blick vom Gegenüber ab, den kommenden Herausforderungen entgegen. Die liegen generell ausserhalb des Bildes, dort, wo auch das Hauptlicht herkommt, das auf den Porträtierten fällt. Der Visionär zeigt sich sozusagen im Augenblick seiner «Erleuchtung». Im Gegenzug delegieren die Angesprochenen ihm Verantwortung und schenken ihm Vertrauen. Dies gilt für Barack Obama ebenso wie für seine politische Referenz John F. Kennedy. Beide zeigen sich im Profil. Während die Darstellung bei Kennedy noch als Bildseite einer Münze (dem ältesten «Medium» zur Verbreitung politischer Portraits) gelesen werden kann, scheint Obama bereits von einem Heiligenschein umgeben. Entsprechend bedient er die Wählerschaft mit Schlagworten wie «Change», «Progress» und «Hope». Aber auch François Mitterrand richtet sich im hier gezeigten Beispiel nicht mehr direkt an den Betrachter. Er gibt sich beinahe schon als Statue, inszeniert sich als unerschütterliche Verkörperung eines geeinten Frankreich.

Politiker wollen letztlich nur eines: gewählt werden. Darum bauen sie uns mit vielfältigen Strategien visuelle Brücken, um eine Mehrheit für sich zu gewinnen. Vielleicht vermissen wir deshalb bei den politischen Portraits oft eine herausragende Gestaltung. Denn in gestalterischen Fragen bedeutet Mehrheitsfähigkeit meist Mittelmass.

Christian Brändleist Direktor des Museums für Gestaltung Zürich und Kurator der Ausstellung «Kopf an Kopf – Politikerporträts». Die Ausstellung zu Imagebildung, Repräsentation und Demontage läuft bis am 22. Februar 2009 im Museum für Gestaltung Zürich. Das Rahmenprogramm und die Publikation zur Ausstellung finden Sie unter http://www.museum-gestaltung.ch/.

Museum für Gestaltung «Kopf an Kopf - Politikerporträts»

Das Museum für Gestaltung Zürich zeigt in seiner Herbstausstellung auf, welcher wiederkehrender Muster sich die Politisierenden bedienen, um sich die Gunst der Wählerschaft zu sichern – ob sie nun im Wahlkampf oder längst im Amt sind. Gespiegelt wird diese affirmative Welt durch die bissige Satire der politischen Demontage. (pgr/art-tv)

Museum für Gestaltung Zürich, bis 22.02.2009.
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