Wer es schafft, von sich reden zu machen, hat es geschafft.
Erstaunlich, auch negative Schlagzeiten können eine Wählerbindung fördern.
SVP auf allen Kanälen
Die Querelen um Eveline Widmer-Schlumpf bringen eine starke Medienpräsenz
Die Querelen um Eveline Widmer-Schlumpf bringen eine starke Medienpräsenz
Die Querelen innerhalb der SVP um den Ausschluss von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf bringen der Partei vor allem eines: Eine hohe Medienpräsenz.
Stichproben belegen, dass die SVP im letzten Monat in dieser Beziehung alle anderen Bundesratsparteien hinter sich liess. Am 2. April veröffentlichte die Partei ihre Mitteilung, in der sie ihr Ausschluss-Szenario darlegte und damit sowohl Widmer-Schlumpf wie auch die SVP Graubünden unter Druck setzte.
Das bescherte der Partei eine (noch) stärkere Beachtung in den redaktionellen Teilen von Zeitungen, Wochenzeitungen und Zeitschriften.
Wie ein Blick in die Schweizer Mediendatenbank (SMD) zeigt, wurde der Begriff «SVP» ab dem 3. April bis zum 5. Mai in Schweizer Printpublikationen insgesamt 6111 mal gedruckt. Dazu gehören nicht ausschliesslich Texte zum laufenden Ausschlussverfahren, sondern auch Berichte über Aktivitäten der Partei in den Kantonen. Auf dem zweiten Platz folgt die SP mit 4244 Nennungen im gleichen Zeitraum, vor der FDP (3147) und der CVP (2602).
Blocher bleibt wichtig
Interessant ist auch ein Blick auf die Exponenten der Parteien. Parteipräsident Toni Brunner bringt es im letzten Monat auf 414 Erwähnungen, die Ausgestossene, Eveline Widmer-Schlumpf, auf 1684 Nennungen. Wie wichtig alt Bundesrat Christoph Blocher für die Partei nach wie vor ist, zeigt die Zahl von 1095 Treffern.
Vergleichsweise bescheiden ist dagegen die Präsenz der Parteipräsidenten von SP, CVP und FDP. Der Name Christian Levrat (sp.) wurde in der SMD 134 Mal gefunden, Christophe Darbellay (cvp.) brachte es auf 179 Nennungen und der Name des FDP-Präsidenten Fulvio Pelli war 146 Mal zu lesen.
Auch bei einem Blick in die Agenturen oder in einzelne Zeitungstitel schwingt die SVP deutlich obenaus. Das gilt selbstredend für die «Südostschweiz» und die «Berner Zeitung», die in Kantonen erscheinen, deren SVP-Sektionen unter verstärkter Beachtung standen. In der «Südostschweiz» brachte es die SVP seit dem 3. April auf 395 Treffer, gefolgt von der SP mit 336 Nennungen. In der «Berner Zeitung» liegt die SVP (395) ebenfalls vor der SP (336).
Geringe Beachtung der Parteiversammlungen
Der Vorsprung der SVP bei der Medienpräsenz ist umso erstaunlicher, als die CVP und die FDP im April noch Delegiertenversammlungen abhielt, was in der Regel im Vorfeld und im Nachgang eine überdurchschnittlich starke Berichterstattung auslöst. Auch eigene Auftritte und Medienmitteilungen verschafften SP, CVP und FDP nicht das erhoffte Gehör.
Wie Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dürfte die SVP aus dieser erdrückenden Präsenz in den Schweizer Medien am Schluss Profit schlagen. Die Partei, die verstärkt auf die Kanäle Gratisanzeiger und Regionalradios setzt, hat es mit der Auseinandersetzung um Bundesrätin Widmer-Schlumpf geschafft, dass ihr auch in den redaktionellen Teilen der arrivierten Publikationen wieder mehr Platz eingeräumt wird. Dass es dabei in erster Linie um Stilfragen und kaum um Sachthemen geht, dürfte letztlich keine Rolle spielen.
Profit aus der Auseinandersetzung
Denn die SVP schlägt in zweierlei Hinsicht Profit aus der anhaltenden Auseinandersetzung.
Die Diskussion um Stilfragen bringt vorab die anderen Parteien in Verlegenheit. Schweigen sie zu den Vorgängen, so setzen sie sich dem Vorwurf aus, das Vorgehen der SVP indirekt zu legitimieren. Kritisieren sie das Vorgehen gegenüber Widmer-Schlumpf und der SVP Graubünden, so verhelfen sie der SVP zu noch mehr öffentlicher Wahrnehmung.
Zweitens hilft die gegenwärtige Medienpräsenz - ungeachtet von Lob oder Kritik - der SVP bei der Mobilisierung ihrer Wählerschaft. Die Partei war ohnehin schon führend bei der Erschliessung ihres Wählerpotenzials. Die laufenden Querelen dürften der SVP helfen, ihre (potenziellen) Wähler noch geschlossener hinter sich zu scharen. Unter dem Eindruck «Alle gegen die SVP» sind diese noch bedingungsloser bereit, den Vorgaben der Parteileitung zu folgen und deren Haltung gegenüber Widmer-Schlumpf mitzutragen.
Kommentar: Das Dilemma wurde in einem Votum von Christine Goll (SP) im gestrigen SonnTalk (Tele Züri) bewusst, als sie sagte: "Mir stinkt es, dauernd nur über die SVP zu reden. Wenden wir uns doch wichtigeren aktuellen Themen zu, wie beispielsweise der Abzockerei der Bosse usw." Im Grunde genommen hatte sie recht und das Problem erkannt.
Doch brachte dieses Verhalten das Dilemma zu Tage: Aeussert sich nämlich Goll als SP Nationalrätin nicht zur Ausschlussfrage der Bundesrätin Widmer Schlumpf, so könnte man der Nationalrätin vorwerfen, sie lasse die angeschossene Bundesrätin im Regen stehen. Auessert sie sich jedoch zur Thematik, so befindet sich die Politikerin in der angesprochenen Themenfalle. Sie verhilft der SVP zwangsläufig zu einer zusätzlichen Medienpräsenz.
Genau das hatte ich Hans Jörg Fehr im letzten Wahlherbst vorgeworfen. Er hatte sich im Feindbild Blocher festgebissen und verpasste es, mit der Partei das eigenständige Themensetting. Sein Hauptthema war der Gegner.