So titelte Lucia Machac in espace.ch seinen Kommentar. Erst im Herbst 2006 habe das personifizierte moralische Gewissen Deutschlands - Günter Grass - zugegeben, dass er sich als 17 Jähriger bei der Waffen SS gemeldet hatte. Halb Deutschland habe hernach versucht, auf den Säulenheiligen einzudreschen. Er wurde international als Heuchler an den Pranger gestellt.
Und nun - ein Jahr später - scheint alles vergessen zu sein. Zu seinem Achzigsten will niemand mehr etwas wissen von der weltweiten Kritik. Vom Kritikerpapst Reich-Ranicki, der eins die "Blechtrommel" verrissen hatte, kommt nun eine Lobhudelei. Das Fernsehen und der Bundespräsident machen die Feiern zu eine krassen Pose. Eines habe man aus dem Debakel gelernt, schreibt Machat: Manchmal sei es leichter, unschöne Details einfach zu vergessen.
Kommentar:
Was uns vor einem Jahr nach dem grossen Kritik in den Medien aufgefallen war: Grass ist immer dann blind, wenn es um ihn selbst geht. Es war äusserst peinlich zu erleben, wie der "Dreinredner" und "Kritiker" selbst keine Gegenrede ertrug. Wenn jemand seine Werke oder sein Verhalten kritisiert hatte, unterstellte ihm Grass, er wolle ihn "mundtot" machen.
Grass ist für uns nicht nur moralische Autorität und Weltautor. Er bestätigte nur unsere Feststellung, dass Leute, die andere kritisieren, Kritik an ihrer Person sehr schlecht ertragen. So wie Menschen, die andere belehren müssen, sich ärgern, wenn sie einem Besserwisser begegnen.
Lassen wir Grass zu seinem Achtigsten Nachsicht walten, denn er ist und bleibt allemal ein grosser Schriftsteller. ********
Nachlese 23.11.07:
Günter Grass klagt gegen seinen eigene Biografie
Es mutet kurios an: Ein Literaturnobelpreisträger zieht vor Gericht, um sich gegen seinen eigenen Biografen zu Wehr zu setzen - und sich so seine Version seines eigenen Lebens gleichsam amtlich bestätigen zu lassen.
Das wird ein Prozess, der zu reden gibt
Nobelpreisträger Günter Grass hat über seinen Berliner Anwalt Paul Hertin am Mittwoch eine Unterlassungsklage beim Landgericht Berlin gegen die Verlagsgruppe Random House (die zum Goldmann-Verlag gehört), eingereicht. Zum Prozess kommt es nach seiner Einschätzung allerdings (gemäss Spiegel online) erst im kommenden Jahr (März oder April?). Da die Verhandlung öffentlich sein wird, muss Gras damit rechnen, dass seine SS Vergangenheit zusätzlich aufgewärmt wird.
Anlass für die Auseinandersetzung ist eine Passage in der aktualisierten Grass-Biografie von Michael Jürgs, die im Oktober 2007 im Goldmann-Verlag erschienen ist. Dort ist zu lesen:
"Günter Grass bekannte, seine Nuss knackend, sich als Siebzehnjähriger freiwillig zur Waffen-SS gemeldet zu haben."
Die Klage wendet sich nun gegen die Behauptung, Grass habe sich freiwillig gemeldet. Der Autor besteht darauf, er sei lediglich zur Waffen-SS einberufen worden. In der ersten Version der Biografie aus dem Jahr 2002 kam die strittige Formulierung nicht vor. Jürgs hatte das Wort "freiwillig" für die Neuauflage nachträglich eingefügt, nachdem Grass seinerseits 2006 in der Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" seine SS-Vergangenheit gebeichtet hatte.
Nach Grass beeinträchtigt Jürgs' Behauptung seine Persönlichkeitsrechte.
Grass hatte 2006 in seiner Autobiografie und noch vor deren Erscheinen in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichtet, er habe sich mit fünfzehn Jahren freiwillig zur U-Boot-Truppe gemeldet, die aber niemanden mehr genommen habe. So sei er als Siebzehnjähriger aus dem Reichsarbeitsdienst nach Dresden zur Waffen-SS einberufen worden; er sei in der zehnten SS-Panzerdivision "Frundsberg" gewesen. Bis zu diesem späten Bekenntnis hatte es in den Biografien des 1927 geborenen Schriftstellers geheissen, er sei 1944 als Flakhelfer eingezogen worden und habe dann als Wehrmachtssoldat gedient.
Kommentar Ich hätte Grass empfohlen, die imageschädigende Geschichte nicht nochmals aufzuwärmen, nachdem die Oeffentlichkeit den Makel weitgehend verziehen hatte und Grass anlässlich seines Gebutstagessogar vom Bundespräsidentenund den Medien mit lobenden Worten bedacht worden war.