700 Chaoten konnten dank Guerillataktik die Polizei austricksen
Kommentar:
Das Ritual des Kleiderwechselns habe ich bereit vor einem Jahr in Brig erlebt. Nach dem Marsch des "schwarzen Blocks" durch die Gassen Brigs - alle in "schwarzer Uniform" und vermummt - beobachtete ich unweit des Bahnhofs, wie sich ein Aktivist nach der Domonstration in einer Häuserecke heimlich umzog - die Demokleider im Rucksack verstaute, um sich hernach als unauffälliger Jugendlicher zum Bahnsteig zu bewegen.
Was uns in Bern erstaunte: Seit Jahren wird die besetzte Reithalle in Bern als Hochburg der Gewalttäter toleriert. Dort werden die Aktionen vorbereitet. Es gab in Bern schon früher verschiedene grössere Gewaltaktionen, denen die Polizei nicht mehr Herr der Lage wurde. Doch liess man die Linksextremen in Bern weiterhin an der langen Leine und duldete die gewalttätigen Besetzer . Wenn in der Bundeshauptstadt die Demokratie derart leicht mit Füssen getreten werden kann, wie am letzten Samstag, genügt es nicht, wenn die Polizei heute nachträglich eingesteht, Fehler gemacht zu haben. "Mea culpa" in Ehren - aber dies allein kann es noch nicht sein. Wenn die Redefreiheit gewaltsam geebodigt werden kann (bis anhin ging es immer nur um Störungen - auch bei den Rechtsextremen), so muss gehandelt werden.
Die unwürdigen Geschehnisse müssen unbedingt genauer analysiert werden und entsprechenden Konsequenzen. Wir haben es heute mit einer neuen Gewalteskalation zu tun.
Krisensituationen können und sie müssten von der Polizei stets antizipiert werden. Die Sicherheitsorgane wussten genau, dass Bern ein Pulverfass ist, vor allem wenn der der Schwarze Block vorgängig im Internet mobilisiert hatte. Unverständlich auch, dass Bern den grünen Stadtrat Jenni gewähren liess und gegen ihn nichts unternahm, wohl wissend, dass er eine unbewilligte Demonstration gegen den Willen der eigenen Regierung durchführen wollte - und auch durchführen konnte.
Bei den Rechtsextremen bei den Rütlireden war es möglich - mit immensen Kosten - die Redefreiheit zu garantieren. Weshalb soll dies in Bern nicht möglich sein?
Einige Zeitungen blieben mit den Bildern der Zerstörung bewusst zurückhaltend. Man wollte angeblich den Gewalttätern ihren "Erfolgsbildern" nicht zusätzlichen Raum verschaffen. Wenn eine grosse Tagesanzeige am Montag gar keine Bilder der Zerstörung mehr publizierte und im Text behauptet wird, die SVP habe ebenfalls mit beigetragen zur Gewalteskalation, so müsste sich der Leser ein bild machen können , was tatsächlich abgelaufen ist. Trotz Zurückhaltung gibt es auch eine sachliche Informationspflicht mit Bildern.
Als bei den früheren 1. Mai Kravallen in Zürich die schlimmen Bilder der Chaoten bewusst ausgeklammert blieben und dafür ausschliesslich die brutalen Einsätze der Polizei (Wasserwerfer-, Tränengaseinsätze und Aktionen mit Gummischrot) visualisiert worden waren, wusste die Bevölkerung kaum, was sich wirklich zugetragen hatte. Medien haben eine Informationspflicht. Die Desformation mit selektiven Photos wurde lange nicht verkannt.
Erst als später der Behörde die tatsächlichen, authentischen Bilder der Chaoten - aufgenommen mit einer versteckten Kamera zeigten - in voller Länge und ungeschnitten-, lösten diese Sequenzen bei der Regierung ein Umdenken aus. Sogar der zuständige SP Stadtrat duldete hernach eine härtere Gangart der Polizei. Er tolerierte nächstes Jahr das rasche, päventive Eingreifen!
Seit Jahren konnten wir das gleiche Phänomen verfolgen: Setzt sich die Polizei hart durch und greift konsequent ein, so heisst es nachher: Die Polizei habe provoziert und sei an den Zerstörungen mitschuldig. Sie müsste viel flexibler und psychologisch geschickter vorgehen. Sie solle sich deshalb diskret zurückhalten. Hält sich dann die Polizei bei der nächsten Demo an diesen Ratschlag und lässt Sachbeschädigungen zu, mit dem Argument: Menschenleben zu schützen ist wichtiger als der Schutz von Objekten wie Schaufenster und Autos! so folgt nachher promt der Vorwurf, die Polizei habe versagt. Der Bürger und sein Eigentum müsse geschützt werden, die Oeffentlichkeit habe ein generelles Recht auf Ruhe und Ordnung.
Der heutige Tagesanzeiger übernimmt nach dem zurückhaltenden Einsatz der Polizei vom letzten Samstag in Bern genau diese Argumentation und erwähnt in einem Titel die These der Polizei: "Es hätte sonst Tote und Verletzte geben können." Der Tagesanzeiger darf sich somit nicht wundern, wenn ihm eine linke Tendenz unterstellt wird, wenngleich dies nicht der Fall ist.
Wie Opfer zu Tätern gemacht werden So wie wir es vermutet hatten, hörten wir am Montag nach den inakzeptabeln Schandtaten in Bern im Radio den Präsidenten des Polizeiverbandes, der die SVP für die Kravalle verantwortlich machte. Mit ihren Kampagne hätte die SVP die Gegenseite provoziert und sei dadurch mitschuldig an der Eskalation.
In der Psychologie ist dieses "Blitzableiten auf das Opfer" als Phänomen der Schuldzuweisung hinlänglich bekannt. Man lenkt bewusst von der eigenen Schuld ab. Diese Schuldzuweisungen sind allen bekannt: Nicht der Täter ist schuldig, sondern die Umwelt, die Gesellschaft. Nicht die vergewaltigte Frau ist schuld. Sie hat den Täter gereizt. Mit dieser klassischen Projektion musste auch in Bern gerechnet werden. Wir fragten uns schon gestern, wie lange es wohl gehen wird, bis man der leidtragenden SVP die Schuld für die Exzesse zuschiebt. Dass heute ausgerechnet die Versager, nämlich die Polizei , die Schuld dem Opfer zuschiebt , ist doch ungewöhnlich. Nachlese in den Medien:
Nach Krawallen in Bern - Auch Polizisten kritisieren Einsatzleitung
Der Einsatz der Berner Polizei am Samstag in Bern ruft auch bei den Polizisten Kritik hervor. Der Präsident des Polizeiverbands des Kantons Bern (PVBK) wirft der Einsatzleitung vor, zu wenig Leute aufgeboten zu haben.
8. Oktober 2007, 20:42, NZZ Online
Organisatoren von Gegendemonstration droht Strafanzeige
Organisatoren von Gegendemonstration droht Strafanzeige
Über 100'000 Franken Sachschaden wegen Krawallen laut Berner Polizei
Schlagzeilen nach den Schlägereien
Wie bereits vor Monatsfrist in England macht der SVP-Wahlkampf jetzt auch in den USA gross Schlagzeilen. Die Berner Krawalle schafften es auf die Titelseite der New York Times.
20 Min:
Krawalle von Bern: Behörden waren gewarnt
Der Staatsschutz ist im Unterschied zur Berner Stadtpolizei von der Guerillataktik des Schwarzen Blocks bei den Krawallen gegen die SVP vom letzten Samstag nicht überrascht worden.
«Uns haben die Ereignisse nicht überrascht», sagte der stellvertretende Leiter des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) im Bundesamt für Polizei, Jürg Bühler, der Zeitung «Der Bund». Zuerst eine Blockade zu bilden und sich dann in Kleingruppen aufzusplittern, entspreche der Taktik, die sich in den letzten Jahren entwickelt habe. Das habe man an anderen Orten auch schon gesehen. Der DAP habe die zuständigen Personen in Bern über die Anzeichen des vorhandenen Gewaltpotenzials informiert, sagte Bühler weiter.Wegen Krawallen: SVP verklagt Stadt Bern
Die SVP verklagt die Stadt Bern nach den Ausschreitungen vom vergangenen Samstag auf Schadenersatz. Sie macht einen Schaden von mehreren zehntausend Franken geltend. Insbesondere auf dem Bundesplatz sei Material beschädigt worden.