Mittwoch, 8. November 2006
REDEPANNE IM VATIKAN
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Die Kurie verbreitete nach Blick online eine Rede des Papstes an die Schweizer Bischöfe, die der heilige Vater nie gehalten hat. Die aktuelle Ausgabe der Vatikanzeitung Osservatore Romano musste eingestampft werden.
Das hat es in der neueren Geschichte der katholischen Kirche wohl noch nie gegeben.
Gestern gegen Mittag verbreitete das vatikanische Presseamt eine Rede von Papst Benedikt, die dieser zur Begrüssung der Schweizer Bischöfe beim «Ad-limina-Besuch» in Rom gehalten haben soll. Sofort wurde sie via Presseagenturen auch in der Schweiz verbreitet.
Von der Warnung, Laientheologen nicht zu viel Kompetenzen zukommen zu lassen, ist da die Rede; von Priestern, die eigenmächtig die katholische Lehre interpretierten; von der Entchristlichung der Gesellschaft, der die Bischöfe entgegenzutreten hätten. Starker Tobak, aber falscher Alarm.
Denn diese Rede hat Benedikt der XVI. nie gehalten. Es war der Entwurf für die Ansprache, die Papst Johannes-Paul II. im letzten Februar halten sollte, wozu es aber wegen desser akuter Erkrankung nie kam.
Entsprechend rieben sich die Schweizer Bischöfe ihre Augen, als sie nachmittags den angeblichen Redetext sahen. Denn was sie wirklich vom Papst gehört hatten, war etwas ganz anderes.
Tatsächlich hatte Benedikt am Morgen zu den Schweizer Bischöfen gesprochen, aber auf deutsch, nicht wie in der «falschen» Rede auf französisch. Gemäss Informationen formulierte der Papst ganze Abschnitte seiner Rede frei, ohne Manuskript.
Hier liegt eine mögliche Erklärung für die Mega-Panne: In seiner Not könnte ein Sekretär des Presseamtes auf den alten Entwurf zurückgegriffen haben. Ob es tatsächlich so war, wird wohl auf ewig ein Geheimnis des Vatikans bleiben.
Die Folgen sind jedenfalls drastisch: Weil die offizielle Vatikanzeitung Osservatore Romano bereits mit falschem Text gedruck war, muss heute die gesamte Ausgabe eingestampft werden.
Was der Papst nun tatsächlich gesagt hat, wird wegen der gewaltigen Aufregung im Vatikan später bekannt gegeben.